Atomunfall verfolgt die US-Regierung (2024)

Bomber-Absturz über Palomares Atomunfall verfolgt die US-Regierung

19.10.2015, 14:36 Uhr

Nur knapp entging Europa 1966 der unbeabsichtigten Zündung mehrerer Wasserstoffbomben: Fast vier Jahrzehnte nach dem Vorfall, der als "Nuclear Nightmare" in die Geschichte einging, regeln Spanien und die USA das weitere Vorgehen.

Das radioaktiv strahlende Plutonium aus den US-amerikanischen Kernwaffen ist noch immer gefährlich: Knapp 40 Jahre nach dem Absturz eines mit vier Atombomben bewaffneten Langstreckenbombers der US-Luftwaffe über der spanischen Mittelmeerküste haben sich Washington und Madrid auf die weitere Sanierung der radioaktiv belasteten Absturzzone geeinigt.

Es werde ein verbindliches Abkommen zur Säuberung der betroffenen Region rund um die Ortschaft Palomares sowie zur Lagerung der kontaminierten Erde in den USA angestrebt, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden Regierungen. US-Außenminister John Kerry unterzeichnete die Vereinbarung im Rahmen seiner zweitägigen Spanienreise in Madrid.

Das Abkommen liefert die Grundlage für das weitere Vorgehen im Umgang mit den radioaktiv verseuchten Hinterlassenschaften des Nuklearunfalls von Palomares. Bei dem strahlenden Material handelt es sich vor allem um rund 1400 Tonnen an belastetem Erdreich, die in einer geschützten Deponie noch immer auf spanischem Boden liegen.

Absturz aus 9450 Meter Höhe

Der strahlende Atommüll erinnert an einen der bislang gefährlichsten Zwischenfälle beim Training mit Nuklearwaffen: Am 17. Januar 1966 war ein mit vier zündfähigen Wasserstoffbomben beladener US-Bomber vom Typ B-52 bei einer Übung zur Luftbetankung in einer Höhe von 31.000 Fuß (rund 9450 Meter) über dem Ort Palomares an der spanischen Südküste mit einem Tankflugzeug kollidiert.

Der strategische Bomber hatte sich laut offiziellem Untersuchungsbericht etwas zu schnell an den Tankausleger unter dem Heck des Tankflugzeugs angenähert. Der Ausleger bohrte sich in die Tragflächenaufhängung des strahlgetriebenen Bombers, die linke Tragfläche riss ab. Ausströmender Treibstoff fing sofort Feuer.

Insgesamt hatte der Tanker vom Typ KC-135 mehr als 150.000 Liter Kerosin an Bord. Die Maschine explodierte noch in der Luft, die vier Besatzungsmitglieder im Inneren waren sofort tot. Die B-52 war nach dem Zusammenstoß und der Explosion ebenfalls nicht mehr zu halten. Das riesige Flugzeug stürzte ab. Von den insgesamt sieben Crew-Mitgliedern an Bord konnten sich nur fünf aus dem fallenden Wrack befreien. Bei einem Besatzungsmitglied versagte der Fallschirm, vier Menschen - darunter die beiden Piloten der B-52 - überlebten sowohl den Notausstieg in großer Höhe als auch die Landung an der Küste beziehungsweise im Mittelmeer. Anwohner und Fischer brachten die Überlebenden ins Krankenhaus.

"Broken Arrow" in Europa

Der Unfall löste bei den US-Streitkräften Großalarm aus: Drei der vier Atombomben, die der strategische Bomber an Bord hatte, stürzten in der Nähe von Palomares vom Himmel. Die vierte Bombe blieb zunächst unauffindbar. Das US-Militär sah sich inmitten des Kalten Krieges mit einem Worst-Case-Szenario konfrontiert: Schließlich handelte es sich nicht nur um streng geheime Militärtechnik, sondern auch um eine zündfähige Massenvernichtungswaffe mit hochgiftigem Plutonium, dessen Sprengkraft etwa einer Menge von knapp 1,5 Megatonnen herkömmlichen TNTs entsprach.

Das US-Verteidigungsministerium entsandte umfangreiche Kontingente in das verbündete Spanien der Franco-Dikatur, um die Unfallstelle abzusperren, das strahlende Material zu bergen und um vor allem nach der verloren gegangenen Atombombe zu suchen. Im Jargon der US-Militärs ist eine solche Operation unter der Code-Bezeichnung "Broken Arrow" bekannt.

Erst nach einer mehrwöchigen militärischen Suchaktion - an der neben der US-Luftwaffe auch Spezialkräfte des Pentagon sowie zahlreiche Marineeinheiten der US-Navy beteiligt waren - konnte das verloren gegangene Waffensystem weit vor der Küste in einer Tiefe von rund 900 Metern gefunden werden. Die Bergung der lädierten Bombe stellte die beteiligten Experten noch einmal vor ganz eigene Herausforderungen.

Nukleares Höllenfeuer

Wie knapp Palomares dem nuklearen Höllenfeuer entging, erfuhr die Öffentlichkeit erst Jahre später: Bei zwei der drei an Land aufgeschlagenen Atombomben war der enthaltene Anteil an konventionellem Sprengstoff beim Einschlag auf dem Erdboden explodiert. Dadurch wurde das strahlende Material - im wesentlichen Plutonium - aus dem Inneren der Bombe über mehrere Hundert Hektar Ackerland verstreut, so weit es nicht in der Hitze der Explosion verbrannte und in einer Aschewolke in der Umgebung verwehte.

Es hätte sehr viel schlimmer kommen können: Hätten alle Sicherheitsmechanismen im Inneren der Bombe versagt, wäre über den Südwesten Europas eine atomare Katastrophe hereingebrochen. Weite Landstriche in der Region wären nach einer vollständigen nuklearen Zündung wohl dauerhaft unbewohnbar.

Die Folgen des Unfalls sind in Spanien unvergessen. Nachmessungen vor gut zehn Jahren ergaben an mehreren Stellen in der Umgebung des Dorfes unerwartet bedenklich hohe Strahlenwerte - obwohl die US-Militärs das Gebiet eigentlich längst schon als dekontaminiert an die spanischen Behörden übergeben hatten.

Verstrahlte Mittelmeerküste?

Im Jahr 2006 Jahren ließ die Regierung die betroffenen Grundstücke enteignen und einzäunen - auch um zu verhindern, dass auf verstrahltem Gelände Ferienwohnungen errichtet werden. Zugleich bat sie Washington darum, die betroffenen Böden abzutragen. Im Erdreich rund um Palomares wurde Schätzungen zufolge noch immer ein halbes Kilogramm Plutonium vermutet.

Eine frühere Vereinbarung sah vor, dass die USA für Messungen der Radioaktivität in der Region sowie regelmäßige Bluttests der etwa 1000 Einwohner in Palomares jährlich mehr als 300.000 Euro an Madrid überweisen. Das Abkommen lief 2010 aber aus.

Die neue Vereinbarung wurde damit insbesondere in Spanien bereits mit Spannung erwartet. Dauerhaft zu klären gilt es unter anderem, welche Seite für die Kosten der Nachsorge, der Überwachung und die künftige medizinische Untersuchung der betroffenen Anwohner aufkommt. Das verseuchte Erdreich soll früheren US-Medienberichten zufolge womöglich - ähnlich wie bei der ersten Dekontaminationsaktion in den 19060er-Jahren - zur sicheren Endlagerung in die USA verbracht werden.

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